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LG Karlsruhe: Verzicht auf Widerrufsrecht bei Erwerb digitaler Inhalte nicht schon bei Bestellung möglich

von Thomas Nuthmann | veröffentlicht: 8. Juli 2016

Das Landgericht Karlsruhe hat sich in einem Urteil vom 25. Mai 2016, Az.: 18 O 7/16, gleich mit zwei fernabsatzrechtlichen Fragen befassen müssen: Stellt (1.) der Erwerb virtuellen Spielgeldes innerhalb eines Computerspiels einen Erwerb digitaler Inhalte dar und kann (2.) direkt schon bei der Bestellung die Zustimmung zur Vertragsausführung vor Ablauf der Widerrufsfrist und die Bestätigung der Kenntnis, dass mit dieser Zustimmung das Widerrufsrecht erlischt, eingeholt werden?

Das LG Karlsruhe stufte den Kauf virtueller Taler, mit denen im Rahmen eines Computerspiels weitere Spielelemente erworben werden konnten, als Erwerb digitaler Inhalte ein. Die virtuellen Taler seien Bestandteil des Computerspiels und damit selbst digitale Inhalte. Sie erweiterten die Handlungsmöglichkeiten des Spielers und könnten nicht sinnvollerweise aus dem Computerspiel herausgelöst werden. Der Umstand, dass die Taler nicht heruntergeladen werden könnten, sei unerheblich, da für die Annahme eines digitalen Inhaltes auch die Möglichkeit, in sonstiger Weise darauf zuzugreifen, genüge.

Für die Praxis bedeutsamer ist allerdings die Beantwortung der zweiten Frage.

Beim Erwerb digitaler Inhalte steht den Verbrauchern grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu, bei dessen Ausübung der Unternehmer nicht einmal Wertersatzansprüche wegen einer bereits erfolgten Nutzung geltend machen kann. Der Unternehmer hat dafür jedoch die Möglichkeit, das Widerrufsrecht vorzeitig zum Erlöschen zu bringen. Hierzu muss er vor der Bereitstellung der digitalen Inhalte (1.) die Zustimmung des Kunden dazu einholen, dass mit der Ausführung des Vertrages vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen wird, und sich (2.) die Kenntnis des Kunden davon bestätigen lassen, dass er durch seine Zustimmung mit Beginn der Ausführung des Vertrages sein Widerrufsrecht verliert. Für viele Anbieter digitaler Inhalte liegt es nahe, diese Voraussetzungen bereits im Rahmen des Vertragsschlusses zu schaffen und bereits zusammen mit der Bestellung die notwendigen Erklärungen des Kunden einzuholen. Ob dies den gesetzlichen Anforderungen genügt, ist allerdings umstritten.

Das Landgericht Karlsruhe vertritt in seiner Entscheidung die Auffassung, dass die betreffenden Erklärungen nicht bereits im Rahmen des Bestellvorgangs eingeholt werden können. Das simple Argument des Gerichts: damit das Widerrufsrecht erlöschen kann, muss es zunächst einmal entstehen. Dies sei jedoch erst mit Vertragsschluss der Fall. Vertragsschluss und die Erklärung über den Verlust des Widerrufsrechts könnten daher nicht zusammenfallen.

Die Auffassung des Landgerichts Karlsruhe überzeugt im Ergebnis nicht. Richtig ist zwar, dass das Widerrufsrecht erst erlöschen kann, wenn es zuvor entstanden ist. Allerdings ist gemäß § 356 Abs. 5 BGB der für das Erlöschen des Widerrufsrechts maßgebliche Zeitpunkt allein der Beginn mit der Vertragsausführung durch den Unternehmer. In zeitlicher Hinsicht verlangt das Gesetz lediglich, dass dieser Beginn nach der Zustimmung und Kenntnisbestätigung des Verbrauchers liegen muss. Dazu, wann die Zustimmung und Kenntnisbestätigung einzuholen sind, enthält das Gesetz gerade keine klaren Vorgaben. Auch der Sinn und Zweck der Regelung verlangt nicht, dass die Zustimmung erst nach Vertragsschluss eingeholt werden darf. Vielmehr haben sogar beide Parteien ein Interesse daran, dass dem Verbraucher schon bei Vertragsschluss deutlich gemacht wird, dass der Unternehmer die Bereitstellung der digitalen Inhalte vor Ablauf der Widerrufsfrist von einem "Verzicht" des Verbrauchers auf das Widerrufsrecht abhängig macht. Wäre dies nicht bereits durch die Einholung der gemäß § 356 Abs. 5 BGB erforderlichen Erklärungen möglich, wäre der Unternehmer gehalten, dies vorsorglich gesondert zu vereinbaren, etwa durch eine entsprechende AGB-Klausel. Eine solche Förmelei erscheint jedoch weder als wünschenswert noch als sinnvoll.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die Auffassung des Landgerichts Karlsruhe nicht durchsetzt. Anderenfalls kämen auf zahlreiche "One-Click"-Modelle der Anbieter digitaler Inhalte neue Herausforderungen zu.


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