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Die neue Verzugsschadenpauschale und ihre Anrechnung auf Rechtsverfolgungskosten

von Thomas Nuthmann | veröffentlicht: 11. August 2014

Am 29. Juli 2014 ist das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in Kraft getreten. Erklärtes Ziel dieses Gesetzes ist die Förderung der Zahlungsmoral zwischen Geschäftsleuten.

Eine für die Praxis wesentliche Neuregelung ist die Einführung einer Pauschale von 40,00 €, die künftig von Schuldnern, die keine Verbraucher sind, im Falle des Verzugs verlangt werden kann. Die Pauschale ist auch dann fällig, wenn dem Gläubiger kein Verzugsschaden entstanden ist. Es soll sich wohl um eine Art pauschalierten Mindestschadensersatz handeln, der neben den Verzugszinsen gefordert werden kann. Die entsprechende Regelung im neuen § 288 Abs. 5 BGB lautet wie folgt:

Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. .... Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

Wie sich aus dem letzten Satz der Vorschrift ergibt, ist die Pauschale auf etwaig geltend gemachte Rechtsverfolgungskosten anzurechnen. Was das konkret bedeuten soll, bleibt allerdings im Dunkeln. Insbesondere ergibt sich aus der Regelung nicht eindeutig, ob zu den Kosten, auf die die Pauschale angerechnet werden soll, auch interne Verwaltungs- und Beitreibungskosten des Gläubigers zählen sollen. Mit dem Begriff „Rechtsverfolgungskosten“ werden in Deutschland nämlich typischerweise externe Kosten umschrieben, also z. B. die Kosten eines Inkassodienstleisters oder eines Rechtsanwalts, der mit der Beitreibung der Forderung beauftragt wurde, nicht aber der Aufwand, der dem Gläubiger intern durch Mahnungen etc. entsteht. Wäre die Regelung in diesem Sinne zu verstehen, bliebe dem Gläubiger letztlich kein Ersatz für interne Beitreibungskosten, wenn er z. B. nachgelagert noch einen Anwalt mit dem Forderungseinzug beauftragt und die Pauschale auf dessen Kosten angerechnet würde.

Die Gesetzesbegründung gibt ihrerseits keinen Aufschluss über die Intention des Gesetzgebers. Zu der Anrechnungsbestimmung in § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB heißt es dort lediglich lapidar:

Absatz 5 Satz 3 regelt den Fall, dass der Gläubiger einen weiteren Verzugsschaden geltend macht. In Umsetzung von Artikel 6 Absatz 3 Satz 1 der Richtlinie 2011/7/EU bestimmt er, dass sich der Gläubiger in diesem Fall den Pauschalbetrag anrechnen lassen muss, wenn er Rechtsverfolgungskosten geltend macht.

Danach scheint der deutsche Gesetzgeber davon ausgegangen zu sein, dass die mit der Neuregelung umgesetzte EU-Richtlinie eine grundsätzliche Anrechnung der Pauschale auf die Geltendmachung von Beitreibungskosten, egal ob intern oder extern, vorsehe. Dass diese Annahme stimmt, muss allerdings stark bezweifelt werden, denn Wortlaut und Erwägungsgründe der Richtlinie sprechen dagegen.

Der erwähnte Artikel 6 der Richtlinie 2011/7/EU lautet wie folgt:

Entschädigung für Beitreibungskosten
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Fällen, in denen gemäß Artikel 3 oder Artikel 4 im Geschäftsverkehr Verzugszinsen zu zahlen sind, der Gläubiger gegenüber dem Schuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrags von mindestens 40 EUR hat.
(2) …
(3) Der Gläubiger hat gegenüber dem Schuldner zusätzlich zu dem in Absatz 1 genannten Pauschalbetrag einen Anspruch auf angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten, die diesen Pauschalbetrag überschreiten. Zu diesen Kosten können auch Ausgaben zählen, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen.

Auch der Wortlaut von Artikel 6 Abs. 3 der Richtlinie ist nicht ganz eindeutig. Er scheint aber davon auszugehen, dass die Rechtsanwalts- und Inkassokosten immer Kosten seien, die die Pauschale übersteigen, weil die Pauschale selbst nur die eigenen, internen Beitreibungskosten des Gläubigers abdecken soll. Hierfür spricht die Formulierung „zu diesen Kosten“, die offenbar ausschließlich auf die überschießenden Kosten Bezug nimmt.

Tatsächlich Licht ins Dunkel bringen die Erwägungsgründe 19 und 20 der Richtlinie 2011/7/EU. Dort heißt es nämlich:

(19) Eine gerechte Entschädigung der Gläubiger für die aufgrund eines Zahlungsverzugs des Schuldners entstandenen Beitreibungskosten ist erforderlich, um von der Überschreitung der Zahlungsfristen abzuschrecken. In den Beitreibungskosten sollten zudem die aufgrund des Zahlungsverzugs entstandenen Verwaltungskosten und die internen Kosten enthalten sein; für diese Kosten sollte durch diese Richtlinie ein pauschaler Mindestbetrag vorgesehen werden, der mit Verzugszinsen kumuliert werden kann. Die Entschädigung in Form eines Pauschalbetrags sollte dazu dienen, die mit der Beitreibung verbundenen Verwaltungskosten und internen Kosten zu beschränken. Eine Entschädigung für die Beitreibungskosten sollte unbeschadet nationaler Bestimmungen, nach denen ein nationales Gericht dem Gläubiger eine Entschädigung für einen durch den Zahlungsverzug eines Schuldners entstandenen zusätzlichen Schaden zusprechen kann, festgelegt werden.

(20) Neben einem Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrages für interne Beitreibungskosten sollte der Gläubiger auch Anspruch auf Ersatz der übrigen, durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten haben. Zu diesen Kosten sollten insbesondere Kosten zählen, die dem Gläubiger durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen.

Aus diesen Erwägungsgründen ergibt sich, dass die Pauschale offenbar ausschließlich die internen Beitreibungskosten des Gläubigers abdecken soll. Rechtsanwalts- und Inkassokosten sollen lediglich zu den übrigen Beitreibungskosten gehören, auf deren Erstattung der Gläubiger neben der Pauschale Anspruch haben soll. Dies lässt sich aus den bereits genannten Gründen auch mit dem Wortlaut von Artikel 6 Abs. 3 vereinbaren.

Allein eine solche Regelung ergibt auch Sinn. Eine Pauschale als Ersatz der internen Beitreibungskosten des Gläubigers ist notwendig, weil der Gläubiger seinen tatsächlichen Aufwand in der Regel nicht vollständig beziffern kann. Fallen externe Rechtsverfolgungskosten an, weil z. B. ein Anwalt mit dem Forderungseinzug beauftragt wird, würde die Pauschale in aller Regel vollständig konsumiert, wenn sie auf diese Kosten angerechnet werden müsste. Dem Gläubiger verbliebe dann keinerlei Vorteil und der Schuldner hätte keinerlei zusätzlichen Anreiz für eine schnelle Zahlung. Das erklärte gesetzgeberische Ziel würde daher auch nur dann erreicht, wenn der Gläubiger in jedem Fall die Pauschale und zusätzlich dazu auch die externen Rechtsverfolgungskosten beanspruchen kann.

Fazit:
Im Ergebnis wird deutlich, dass der deutsche Gesetzgeber Artikel 6 der Richtlinie 2011/7/EU offenbar nicht korrekt umgesetzt hat. Während die Richtlinie eine Anrechnung der Pauschale lediglich auf interne Beitreibungskosten des Gläubigers als Teil des Verzugsschadens vorsieht, bezieht sich die deutsche Umsetzung jedenfalls auch auf externe Beitreibungskosten wie Anwalts- und Inkassogebühren. Das Problem lässt sich wohl auch nicht einfach im Wege einer europarechtskonformen Auslegung beheben, denn der Wortlaut des § 288 Abs. 5 BGB gibt eine Beschränkung der Anrechnung auf lediglich interne Beitreibungskosten des Gläubigers kaum her. Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung mit diesem Problem umgehen wird. In jedem Fall ist der Gesetzgeber gehalten, seinen Fehler selbst zu beheben und die Anrechnung der Pauschale auf interne Beitreibungskosten des Gläubigers zu beschränken.


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